Autor Thema: Alkohol: Rückfall  (Gelesen 6407 mal)

gio

  • Gast
Alkohol: Rückfall
« am: 24 Juni 2006 »
Hallo,
ich mache mir sehr große Sorgen um einen Freund, der schon etliche Alkoholentzugstherapien hinter sich hat - die letzte kürzlich bei euch. Wasimmer ihr geraten habt, in der Folge in Angriff zu nehmen, zu verändern, zu tun - er hat nichts davon getan, stattdessen trinkt er wieder. Er ist in einem erbärmlichen Zustand, teilweise orientierungslos, mit Artikulationsproblemen, massiven Gedächtnislücken und ich erlebe ihn während täglich mehrmaliger Telefonate nie auch nur halbwegs klar. Er versteht offensichtlich auch den Klartext seines Arztes (den ich für ihn angerufen habe) - neuerlicher Entzug oder absehbarer Tod - nicht bzw. ist nicht imstande, auch nur irgendeine Handlung zu setzen.
Gibt es von eurer Seite irgendeine Möglichkeit???
Danke für jegliche Info
Gio

ME-Redaktion

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Re: Alkohol: Rückfall
« Antwort #1 am: 26 Juni 2006 »
Hallo Gio, ich teile ihre Sorgen um ihren Freund. Es ist sehr traurig, dass er trotz mehrmaligen Versuchen keinen Weg in ein suchtfreies Leben oder aber in diesem Fall zurück in die Möglichkeit des Lebens überhaupt gefunden hat. Es ist sehr schlimm sagen zu müssen, dass es von unserer Seite immer nur die Möglichkeit von Motivationsarbeit zur Therapie gibt und dazu muss aber die betreffende Person bereit sein. Manches mal resignieren die Menschen beim Kampf gegen die Sucht und wollen lieber in den Tod gehen, als weiter zu leben. Das ist sehr traurig. Dabei ist auch das Umfeld stark mit betroffen, da es fast nicht zu kapieren ist, dass die langsame Selbstzerstörung eine Option sein kann.
Sie können nur anbieten ihn in eine Entzugstherapie zu bringen, aber alles andere muss ihr Freund selbst wollen.

Um mit so einer schweren Situation als Freund umgehen zu können, ist es notwendig, sich selbst Hilfe zu suchen. Es gibt in jedem Bundesland in Österreich die Möglichkeit, sich an Selbsthilfegruppen für Angehörige (oder Freunde) von Menschen mit Suchterkrankung zu wenden. Ich weiß, dass das sehr vielen Angehörigen geholfen hat, nicht selbst krank zu werden. Sie können sich auch im Internet (z.B. über diesen link: http://www.suchtprozesse.de/angehoerige.htm ) über Co-Abhängigkeit  (so nennt man das Ohnmachtsgefühl und den verzweifelten Versuch dem Freund zu helfen) informieren, falls sie lieber anonym bleiben wollen. Sollte das aber nicht reichen, würde ich sie doch bitten, sich z.B. bei einer Therapeutin Hilfe und Begleitung zu holen, denn auch dort wird ihre Anonymität gewahrt. Sie können sich auch gerne an eine unserer ?Clean?-Beratungsstellen in Bregenz, Feldkirch oder Bludenz wenden. Viel Erfolg bei ihren Bemühungen!

gio

  • Gast
Re: Alkohol: Rückfall
« Antwort #2 am: 28 Juni 2006 »
Hallo,
danke für die Antwort, lieber Experte!
Nachdem ich bis vor einigen Jahren absolut nichts mit dem Thema  am Hut hatte, habe ich mittlerweile etliche Stadien durchlaufen - von "nach der Therapie ist alles wieder gut" über "wenn ich genug kämpfe, motiviert ihn das" über "er macht das für uns" bis zu letztendlich der Realisierung, dass ich ihnh nur unterstützen kann, die Hauptarbeit aber von ihm selbst kommen muss. Ich habe viel gelernt - auch über Ihre erwähnte Co-Abhängigkeit - und ich bin kein "Vertuscher-Typ" und auch nicht beziehungsabhängig. Auch, dass ich mich distanzieren muss - habe ich gemacht, seit Sommer 05.
Mittlerweile ist es aber wieder so, dass es sein Lebensinhalt zu sein scheint mich anzurufen - wir wohnen getrennt - 15x am Tag! ich verweigere Treffen, weil ich es nicht mehr ertrage, ihn in einem derart bedenklichen Zustand zu sehen - ich bin berufstätig - und ich bin zwar grundsätzlich stark (sagt man mir), aber diese Telefonate - offensichtlich sein Faden zum Leben! -  belasten mich über alle Maßen - sie nerven mich teils schon, aber er tut mir so schrecklich leid.
Ich habe selbst das Gefühl, ich brauche Hilfe, nur, ich weiß nicht mal, ob man einfach einen Termin bei einem Therapeuten vereinbart oder ob das über den Hausarzt geht. Ich selbst stehe mitten im Leben - und gut grundsätzlich, aber ich schaffe das, diese Situation, nach all der Zeit, nur mehr sehr, sehr schwer.
Für jegliches Feedback dankbar
gio

ME-Redaktion

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Re: Alkohol: Rückfall
« Antwort #3 am: 30 Juni 2006 »
Liebe Gio!

Ich bewundere gerade ihren langen Atem und ihre Offenheit und finde auch, dass sie eine starke und engagierte Person sind und hoffe für sie, dass sie diese Stärke selbst spüren können!
Bei einer Psychotherapeutin kann man einfach anrufen und einen Termin vereinbaren. Sie stehen alle im Telefonbuch verzeichnet. Meistens sucht man sich jemanden aus, die von jemandem empfohlen wurde, geht dann zu einem Erstgespräch und macht sich selbst ein Bild, ob man sich mit dieser Person wohl fühlt oder nicht und kann dann auch noch wechseln. Die Therapeutin erklärt einem dann auch mit den Finanzierungsmöglichkeiten alles sehr genau. Wenn man finanzielle Knappheit hat, ist es auch möglich sich beim Ifs anzumelden, denn dort sind die Kosten an den Verdienst angepasst. Heutzutage gehen viele Menschen mit einem bestimmten Thema in Therapie und wenn sie das dann sozusagen ?aufgearbeitet? haben, können sie bereichert und gewachsen die schönen Seiten des Lebens genießen.

Ich wünsche ihnen eine gute Wahl und viel Freude und Erkenntnisse bei ihrer Therapeutin ? oder Therapeuten!