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Jahresbericht 2022

Psychische Belastung der Menschen weiterhin hoch

Bild: (v.l.): Wolfgang Grabher, MSc, der Leiter der Beratungsstelle Clean in Bregenz, Pflegedirektor Roman Saam, MA, Primar Dr. Philipp Kloimstein, MBA, und Mag. Andreas Prenn, Leiter der SUPRO – Gesundheitsförderung und Prävention. 

 

Themen wie die Pandemie, der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und die Folgen von Inflation wirken sich belastend auf die psychische Gesundheit der Menschen aus. Daraus können besonders bei vulnerablen Gruppen Suchterkrankungen oder ein Rückfall zu süchtigem Verhalten resultieren. Das bestätigt die Stiftung Maria Ebene, das Vorarlberger Kompetenzzentrum in allen Suchtfragen, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2022 heute im Krankenhaus Maria Ebene in Frastanz. Den einzelnen Einrichtungen der Stiftung war es vergangenes Jahr und nach dem Ende der Einschränkungen der ersten beiden Pandemiejahre wieder möglich, alle Beratungs- und Hilfsangebote wie geplant umzusetzen. Mit dem Etablieren neuer Ausbildungskonzepte oder Therapiegruppen reagiert die Stiftung auch aktiv auf aktuelle Veränderungen im Gesundheitsbereich. Beim Personal wiederum konnte die Stiftung mehrere Schlüsselpositionen erfolgreich nachbesetzen und etwa im Pflegebereich für sämtliche offene Stellen neue Mitarbeitende einstellen.

Die Zahlen, Daten und Fakten des letzten Geschäftsjahres der Stiftung Maria Ebene liegen in Form des Jahresberichts 2022 vor, den diese gemeinsam mit den wichtigsten aktuellen Themen im Suchtbereich heute, Mittwoch, den 3. Mai 2023, im Krankenhaus Maria Ebene in Frastanz präsentierte. Im zurückliegenden Jahr wurden die Einschränkungen der ersten beiden Coronapandemie-Jahre zurückgenommen. Dadurch konnte die Stiftung Maria Ebene sämtliche Beratungs-, Therapie- und Hilfsangebote wieder wie geplant umsetzen. „Manche anfangs als Einschränkung empfundene Änderungen haben sich aber bewährt und werden daher in dieser Form weitergeführt – wie etwa die Alkoholambulanz am Krankenhaus Maria Ebene in Frastanz, die auch 2022 als Terminambulanz geführt wurde. Wir müssen uns an Veränderungen anpassen, Innovationen beleben und Sucht neu denken, nämlich mit Blick auf ein geändertes Suchtverhalten genauso wie als Arbeitgeber“, berichtet der Ärztliche Leiter und Primar des Krankenhauses, Dr. Philipp Kloimstein, MBA.

 

Auslastungen konstant hoch

Was die Aufnahme von stationären Patient:innen betrifft, konnten das Krankenhaus Maria Ebene sowie die Therapiestationen Carina und Lukasfeld wieder an Werte wie vor der Pandemie anschließen. 500 Patient:innen wurden 2022 stationär betreut, die durchschnittliche Auslastung der stationären Einrichtungen lag damit bei 82 Prozent. Auch im ambulanten Bereich lagen die Betreuungsverhältnisse konstant auf hohem Niveau: Zwar ist die Gesamtzahl der im vergangenen Jahr betreuten Personen – also Menschen mit Suchtverhalten sowie Bezugspersonen – gegenüber dem bisherigen Höchststand von 2021 von 1.249 Personen um 4,4 Prozent auf 1.194 zurückgegangen. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist die Zahl jedoch um 1,8 Prozent gewachsen. Primar Dr. Kloimstein erklärt dazu: „Zu Pandemie und dem Klimawandel sind auch noch der Krieg in der Ukraine und infolge die Inflationskrise hinzugekommen, die als Belastungen wahrgenommen werden. Das wirkt sich besonders auf vulnerable Gruppen aus, also Menschen mit psychosozialem Druck, Jugendliche, Erwerbslose oder etwa solche mit vorangegangenen psychischen Erkrankungen, inklusive Suchterkrankungen. Wir, genauso wie unsere Systempartner, spüren hier eine allgemeine Unsicherheit in der Bevölkerung. Unsere Erfahrung zeigt leider, dass solche psychischen Belastungen häufig und auch über einen längeren Zeitraum zu Sucherkrankungen und Depressionen führen.“

 

Neubesetzungen in der Stiftung

Die Stiftung Maria Ebene als Arbeitsplatz konnte sich 2022 positiv weiterentwickeln. Bestes Beispiel ist hier die Pflege. „Es war uns im Laufe des vergangenen Jahres möglich, alle offenen Pflegestellen innerhalb der Stiftung erfolgreich zu besetzen – trotz des zurzeit akuten Pflegkräftemangels in den Krankenhäusern. Unsere gute Personalsituation im Pflegebereich wirkt sich positiv auf die Qualität in der Behandlung unserer Patient:innen aus und führt natürlich auch zu einer höheren Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden“, zeigt sich Pflegedirektor Roman Saam, MA, sehr erfreut. Saam selbst hat mit 1. Juli 2022 die Pflegedienstleitung für alle Einrichtungen der Stiftung Maria Ebene übernommen. Zudem wurden weitere Personen auf Leitungsebene in der Stiftung Maria Ebene im vergangenen Jahr nachbesetzt: Mit Joachim Bitsche, MSc, erhielt die Therapiestation Carina eine neue Leitung. Neu verantworten David Junker, MMSc, in Feldkirch und MMag.a Katharina Amann in Bludenz die Leitung der Beratungsstelle Clean an den jeweiligen Standorten. Und erst kürzlich, am 1. Mai 2023, übernahm Dipl.-Betrw. (BA) Thomas Intemann die Funktion des Verwaltungsdirektors der Stiftung Maria Ebene.

 

Investition in Nachwuchsförderung

„Diese erfreulichen Neubesetzungen sind für uns aber natürlich kein Grund still zu stehen, denn alleine durch den demografischen Wandel werden in Zukunft auch wieder Lücken entstehen“, hält Primar Dr. Kloimstein fest. Die Stiftung Maria Ebene investiert daher gezielt in Nachwuchsförderung und Ausbildungsqualität. So konnte für die klinische Psychologie-Ausbildung ein neues, stiftungsinternes Ausbildungskonzept eingeführt werden. Und als „Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Wien“ absolvierten bereits mehrere Studierende teils im klinisch-praktischen Jahr ihre Praktika bzw. Famulaturen in der Stiftung Maria Ebene. Einige Nachwuchskräfte haben dann auch nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums Teile ihrer Basisjahr-Ausbildung sowie ihrer Turnusausbildung bei uns gemacht. „Unsere Anstrengungen zeigen hier also erste Früchte“, ist Primar Dr. Kloimstein überzeugt.

 

Beratungsstelle Clean: neue Psychotherapie-Gruppen

Auch die Beratungsstelle Clean in Bludenz, Feldkirch und Bregenz zieht eine positive Bilanz für das vergangene Jahr. „Zwar stellte uns 2022 mit seinen Krisen und personellen Übergängen vor Herausforderungen, diese wurden aber sehr gut gemeistert“, fasst Wolfgang Grabher, MSc, der Leiter der Beratungsstelle Clean in Bregenz, zusammen. Es konnten mit „…wie die Sucht es braucht?“ und „Sucht/Trauma“ sogar zwei neue Psychotherapiegruppen im Clean Bregenz und im Clean Feldkirch etabliert werden. Die drei Standorte der Beratungsstelle zählten 2022 exakt 37.268 Leistungen an Klient:innen, also psychosoziale Beratungen, Psychotherapien, medizinische Behandlungen etc. – insgesamt ein Plus von 5,4 Prozent. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 35.349 Leistungen. Beim Konsumverhalten der Klient:innen gab es keine größeren Veränderungen zu den Vorjahren, wie Grabher schildert: „Der multiple Substanzgebrauch liegt immer noch unangefochten an erster Stelle bei den Suchtdiagnosen bei unseren Klient:innen, danach folgen Cannabis und Opiate.“ Gerade Cannabis wird wegen der geplanten Legalisierung in Deutschland aktuell öffentlich stark thematisiert. Für die Stiftung Maria Ebene ist in diesem Zusammenhang vor allem wichtig, dass suchterkrankte Menschen nicht kriminalisiert werden. „Schließich handelt es sich hier um eine Krankheit, wie bei anderen Krankheiten auch. Zu bedenken ist aber insbesondere, dass das heutige Cannabis gezielt gezüchtet wird und aufgrund des gestiegenen THC-Gehalts stärker wirkt, mit all seinen Gefahren. Durch regelmäßigen Konsum wird gerade bei Jugendlichen die Gehirnentwicklung negativ beeinflusst. Dem Jugendschutz kommt daher in der Legalisierungsdebatte eine ganz zentrale Rolle zu und eine Freigabe für unter 18-Jährige wäre hier maximal problematisch“, bezieht Primar Dr. Kloimstein hier eine klare Position.

 

Snus weiter auf dem Vormarsch

Ein weiteres aktuelles Thema sind Oral- und Kautabake sowie Nikotinbeutel – auch teils als Snus, Snüs oder Skruf bekannt. Während der Konsum von Zigaretten bei Jugendlichen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist, kann schon seit längerer Zeit eine Zunahme beim Gebrauch von Nikotinbeutel beobachtet werden, wie die SUPRO – Gesundheitsförderung und Prävention, feststellt. „Insbesondere nach dem Ende der Maskenpflicht wurden wir verstärkt kontaktiert. Nicht nur Erwachsene, auch betroffene Jugendliche wenden sich vermehrt an uns, wenn sie feststellen, dass sie von diesen Produkten abhängig sind“, erläutert Mag. Andreas Prenn, Leiter der SUPRO. Ebenfalls besorgniserregend sind die Ergebnisse bei den Testkäufen im Bereich Alkohol. Bis vor drei Jahren konnte die Abgabequote an Minderjährige fast durchwegs kontinuierlich auf sogar unter 20 Prozent gesenkt werden. Im Jahr 2021 erhöhte sich die Abgabenquote jedoch bereits wieder auf 31,73 Prozent und im vergangenen Berichtsjahr 2022 sogar auf 42,69 Prozent. In beinahe der Hälfte der Tests gab der Handel somit alkoholische Getränke an Minderjährige ab. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Entsprechende Maßnahmen müssen eingehend diskutiert und zeitnah umgesetzt werden“, so Prenn weiter.

 

Suizid- und Suchtprävention

Erfreulich war für die SUPRO hingegen, dass nach den Corona-Einschränkungen wieder vermehrt Workshops, und hier vor allem mit Kindern, möglich waren. So konnte die SUPRO 2022 insgesamt 8.097 Personen erreichen, darunter 2.777 Kinder und Jugendliche. Im Jahr 2021 waren es gesamt 4.201 Personen und davon nur 777 Kinder und Jugendliche. „Auch mit unserer Suizidpräventionskampagne unter dem Claim ‚Ich frage nach, ich höre zu, ich hole Hilfe‘ konnten wir eine große Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema schaffen“, zeigt sich Prenn zufrieden. Das spiegelt sich in der Zahl der Anrufe bei der Telefonseelsorge wider, die stark angestiegen ist. Alleine im Kampagnen-Zeitraum September 2022 haben insgesamt 3.385 Personen die Webseite www.bittelebe.at besucht. Über 90 Prozent davon waren neue Nutzer:innen. „Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Fortbildungsmaßnahmen, womit die Kampagne auch nachhaltig positive und nicht nur punktuelle Auswirkungen hat“, erläutert Prenn abschließend.