Hallo Helmuth, Psychopharmaka werden auch oft zur Selbstmedikation eingesetzt, psychische und soziale Probleme treten unter der Wirkung der Medikamente in den Hintergrund, werden als nicht mehr so belastend erlebt. Beim Absetzen der Medikamente steht man plötzlich wieder vor den ungelösten Problemen, von denen sich manche auch verschlimmert haben. Deshalb empfiehlt sich eine psychosoziale Betreuung in Anspruch zu nehmen und sich auf den Entzug auch vorbereiten. Gerade in der Entzugssituation ist eine stabile Lebenssituation sehr vorteilhaft. Bereiten Sie sich entsprechend vor, sprechen Sie mit Ihren Angehörigen oder wenn Sie kein Verständnis erwarten können, suchen Sie eine Möglichkeit, in dieser Zeit alleine zu sein.
Von einem "kalten Entzug", also einem plötzlichen und abrupten Absetzen der Medikamente ist dringend abzuraten. Bei Tranquilizern sowie bei Beruhigungs- oder Schlafmitteln kann es zu lebensgefährlichen Krampfanfällen kommen. Bei einem jahrelangem Konsum sollte man schon einige Monate in den Entzug investieren und mit einem Facharzt und einer psychosozialen Betreuung ein Konzept erarbeiten. Evt. vorhandene psychische Erkrankungen müssen vorher abgeklärt werden. Auch ein kurzer stationärer Aufenthalt ist zu überlegen. Der Entzug sollte stufenweise und allmählich geschehen. Die Reduzierung der Dosis sollte unbedingt mit dem Facharzt abgestimmt werden, auch wenn unter Umständen erst durch die Verschreibungspraxis des Arztes die Abhängigkeit eingetreten ist, dann vielleicht auch einen Arztwechsel überlegen. Evt. auftretende Entzugserscheinungen (zB Schlaflosigkeit, Unruhe, etc) sollten abklingen, bevor weiter reduziert wird. Falls die Entzugssymptome unerträglich werden, ist es besser, die Dosis wieder leicht zu erhöhen, anstatt weiter zu reduzieren. Auch im Niedrigdosisbereich kann noch sinnvoll reduziert werden, indem Tabletten halbiert oder geviertelt werden.
Während der Konsumzeit hat man verlernt, seinen Gefühlen und Gedanken zu vertrauen, dies muss im Entzug erst wieder erlernt werden. Wichtig ist, auf sich selbst zu hören und zu merken, was einem gut tut. Dazu gehört eine erhöhte Selbstbeobachtung, die auch mit Hilfsmitteln, wie zB einem Tagebuch unterstützt werden kann. Auch wenn es verlockend ist: nach einiger Zeit fühlt man sich schon sichtlich besser und setzt dann schlagartig die Medikamente ab. Ist sicher keine gute Idee, außer man will sich selbst erneut frustrieren. (Durch abruptes Absetzen werden die Spätdyskinesien = Bewegungsstörungen begünstigt).